Sammlung Jürgen Wittdorf

Arbeiten aus dem Nachlass des Malers und Grafikers Jürgen Wittdorf

Sammlung Jürgen Wittdorf

Biografie

Jürgen Wittdorf wurde 1932 in Karlsruhe geboren. Die Schulzeit verbrachte er während der Naziherrschaft in Königsberg, sein Vater hatte hier eine Anstellung als Versicherungsdirektor. Seine Eltern unterstützten seine Vorliebe für das Zeichnen, sein Großvater war Professor an der Dresdener Kunstgewerbeschule. Zum Kriegsende folgte die Flucht nach Stollberg im Erzgebirge und entbehrungsreiche erste Jahre nach dem Krieg. Nach der zehnten Klasse beendete Jürgen Wittdorf die Schule. Den ersten Zeichenkurs belegt Wittdorf 1950 in Stollberg, bei Walter Schurig. Er studierte im Anschluss von 1952 bis 1957 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 1957 wurde er Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR (VBK). Von 1959 bis 1964 lehrte Wittdorf an der Volkshochschule Leipzig und war als Assistent am Institut für Kunsterziehung der Karl-Marx-Universität in Leipzig tätig. Seit 1967 lebte Jürgen Wittdorf in Berlin, wo er am 2. 12. 2018 verstarb.

Lebenslauf von Jürgen Wittdorf

25.07.1932 geboren in Karlsruhe aufgewachsen in Hamburg und Königsberg (heute Kaliningrad)

seit 1945 in Stollberg im Erzgebirge, Schulbesuch

1950 bis 1952 Kunstzirkel bei Walter Schurig 

1951/52 erste Ausstellungsbeteiligungen in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz)

1952 Umzug nach Leipzig 

1952 bis 1957 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Ausbildung im Bereich Grafik bei den Lehrern Kurt Dietze, Alexander Neroslow, Gabriele Meyer-Dennewitz und Johannes Lebek

1957 Mitglied der SED und im Verband Bildender Künstler in der DDR

1957 Auftragswerk des Kulturfonds: Zyklus Tiermütter und Kinder im Zoo, Lithografien

1958/59 Zeichenlehrer an der Volkshochschule in Leipzig

1958/59 Auftragswerk: Zyklus Jugend in der Landwirtschaft, Holzschnitte, Lithografien
Arbeits- und Studieneinsatz „Künstler in die Betriebe“, dem sog. „Bitterfelder Weg“ folgend, auf dem volkseigenen Gut Köllitsch bei Torgau

1959 bis 1963 Lektor für Kunsterziehung am Pädagogischen Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig
In den Sommern Arbeits- und Studienaufenthalte mit den Student:innen in der Erzhütte Helbra bei Eisleben und auf den LPGs: Kohlezeichnungen von Arbeitssituationen und erste Porträts

1959 bis 1961 Serie Schulschwimmsport: farbige Kreidezeichnungen

1960 bis 1962 Grafikmappe Zyklus für die Jugend: zahlreiche Vorzeichnungen, Holz- und Linolschnitte, erstmals komplett gezeigt auf der V. Deutschen Kunstausstellung Dresden (1962)

1962 Studienreise in die Sowjetunion (Moskau und Kiew)

1962/63 Auftrag des Rates der Stadt Leipzig für das Restaurant Stadt Kiew: Freundschaft mit Kiew zusammen mit Gabriele Meyer-Dennewitz, je drei großformatige Holzschnitte

1963 Kunstpreis der FDJ für den Zyklus für die Jugend und Druck der Mappe im Verlag Junge Welt mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren

1961 bis 1965 Teilnahme an fast allen großen Kunstausstellungen der DDR in Berlin: u. a. Akademie der Künste, Pavillon der Kunst, Nationalgalerie, Zentraler Klub der Jugend und Sportler

1963 bis 1967 freischaffend in Leipzig

1963/64 Kunst-am-Bau-Auftrag für die Deutsche Hochschule für Körperkultur Leipzig: Serie Jugend und Sport mit fünf großformatigen Holz- und Linolschnitten

Coming-Out und erste homosexuelle Beziehungen

1964 Kauf eines Bauernhauses in Carwitz zusammen mit Gabriele Meyer-Dennewitz. Der Ort wird zum Sommersitz mehrerer Leipziger Künstler wie G. A. Schulz, Harry Blume oder Hans Mayer-Foreyt.

1964/65 Auftragswerk der Stadt Leipzig für das Studentenwohnheim Jenny Marx: Völkerfreundschaft, zwei großformatige Linolschnitte

1964/65 Thema Ballett: Zeichnungen und Drucke

1965 Studienaufenthalt in den Zentralen Werkstätten Berlin am Institut für bildende Kunst der Kunsthochschule Weißensee im Monbijoupark: Abkehr von Holz- und Linolschnitten, Erprobung anderer Drucktechniken wie Radierungen, Aquatinta und Steindruck: Tiere im Leipziger Zoo, Ballett und Paare

1966 Künstlerische Krise, Kontaktaufnahme mit Lea Grundig

1967 bis 1970 Ernennung zum Meisterschüler an der Deutschen Akademie der Künste Berlin bei
Lea Grundig, Erprobung neuer Zeichentechniken, Verdichtung der Bildgestaltungen 

1967 Farbholzschnitt Sommer in Mecklenburg

1968 Aufenthalt im Bergbau der SDAG Wismut, Serien zu Neubau-Altbau und Umzug

1969 Studienaufenthalt in der Sowjetunion (Moskau, Leningrad, Kiew und Aserbeidschan): zahlreiche Stadtansichten, Landschaften mit Bohrinseln und Porträts

1970 Umzug nach Berlin, freischaffend

1970 bis 1989 Aufträge für Ausstellungsbetreuungen, Organisator der Galerie der Freundschaft mit Kunstwerken von Kindern,1977 im Alten Museum in Berlin und 1982 im Albertinum in Dresden, daneben Kurator von Ausstellungen von Laienkünstlern

1971 bis 1990 Zirkelleiter/Kunstlehrer am Haus der jungen Talente und am Haus des Lehrers

1971 bis 1979 Wohnung in Berlin-Lichtenberg

1971 bis 1973 wieder verstärkt Aktzeichnungen, erste Arbeiten mit Ton

1973 bis 1975 Zyklus für die Weltjugendfestspiele in Berlin: Kohlezeichnungen, 1975 Druck einer Mappe mit 20 Lithografien

1979 Umzug innerhalb Berlins von Lichtenberg nach Friedrichshain zum Kotikowplatz (Petersburger Platz)

1983 bis 1985 Kunst-am-Bau-Auftrag für die Kantine der Volkspolizei in Berlin: 170 bemalte Keramikteller zum Thema „Leben in Berlin“

1986 bis 1988 Auftragsarbeit zum Thema „Die Volkspolizei in Berlin“: drei Radierungen

1989 Umzug vom Kotikowplatz in die Kreutziger Straße, wo er bis zu seinem Tod lebt

1990 Wittdorf werden alle Verträge als Zirkelleiter gekündigt (Haus der jungen Talente, Haus des Lehrers)

1992 bis 2005 privater Kunstzirkel in seiner Wohnung für einige Freund:innen, farbige Zeichnungen von Stillleben werden zum zentralen Thema

Verkauf seiner Antiquitäten und Kunstsammlung zur Sicherung des Lebensunterhalts

2000 erster Kontakt zum Schwulen Museum Berlin

2004 Einzelausstellung im Schwulen Museum Berlin, erneute Anerkennung, zahlreiche Presseartikel

Weitere kleinere Ausstellungen, u. a. in der Kiezkneipe „Stiller Don“ und im Heimatmuseum Lichtenberg

Nachdruck seiner großformatigen Drucke Jugend und Sport und der Gruppe mit Fahrrädern, neue Auflagen von den alten Druckstöcken

2012 Einzelausstellung zu seinem 80. Geburtstag im Schwulen Museum Berlin

ab 2010 Dauerausstellung im Lokal „Die Garbe“ in Friedrichshain mit Stillleben

ab 2012 Zusammenarbeit mit der Studio Galerie Berlin, Verkauf von Druckgrafiken und Zeichnungen. Motive die ursprünglich als Holzschnitt gedruckt wurden erscheinen als Kunstdruck-Edition

2016 bis 2018 zunehmende Altersdemenz, betreut durch Freunde und das Unionshilfswerk Berlin

02.12.2018 Tod von Jürgen Wittdorf

2019 der Nachlass von Jürgen Wittdorf wird versteigert, Gründung Sammlung Jürgen Wittdorf

2020 Einzelausstellung und Katalog „Lieblinge“, Werke aus der Sammlung Jürgen Wittdorf im KVOST – Kunstverein Ost, Berlin

2022 Retrospektive im Schloss Biesdorf, zum 90. Geburtstag des Künstlers, mit zeitgenössischen Positionen u.a. von Norbert Bisky

Vielen Dank an den Kunstwissenschaftler Dr. A. Sternweiler für den Lebenslauf von Jürgen Wittdorf.